Jo van Nelsen: Käsebier erobert den Kurfürstendamm

Popkultur und Populismus vor dem Dritten Reich - erzählt von einer gefeierten Journalistin, inszeniert von einem Kenner der Epoche

… Der Sensationsroman von Gabriele Tergit über Berlin in den Endzwanzigern: Aktueller denn je! …

In sechs rauschhaften Wochen schrieb Gabriele Tergit ihren ersten Roman, der sie 1931 mit einem Schlag berühmt machte. Die zeitgenössische Literaturkritik lobte ihn als den „ultimativen Großstadtroman“ und attestierte der Autorin die Beobachtungsgabe und das soziale Engagement eines Emile Zola.

Nun ist der Roman endlich in einer kommentierten Neuauflage im Schöffling Verlag wieder erschienen! „Käsebier erobert den Kurfürstendamm“ erzählt von Aufstieg und Fall des Volkssängers Käsebier, den ein Zeitungsreporter in einem billigen Varieté entdeckt. Um Eindruck in seiner Redaktion zu machen, puscht er ihn zum Megastar hoch. Immobilienmakler und Spekulanten hängen sich an den schnellen Ruhm, die gelangweilten Damen der guten Gesellschaft pilgern in die Vorstellungen, Käsebier wird hemmungslos vermarktet. Parallelen zum Heute drängen sich immer wieder auf…

Gabriele Tergit, die erste deutsche Gerichtsreporterin, ist nicht nur eine unerbittlich genaue, sondern auch mitfühlende Beobachterin. Pointierte und hoch komische Dialoge machen neben der präzisen Schilderung der gesellschaftlichen Milieus – vom Tanzmädchen über den Bauunternehmer bis zum Medienmogul – den Reiz ihres Romans aus.

Ihr eigener Berufsstand wird dabei besonders unter die Lupe genommen: Berliner Journalisten, die gehetzt in den politischen und sozialen Wirrnissen der Stadt, nach immer neuen Sensationen suchen. Und dabei immer skrupelloser werden…

Zentral daher auch Tergits Kritik an der ihr verhassten modernen Werbemaschinerie und Popkultur, die über Leichen geht. Nach Tergits Sicht perfektionierte und pervertierte Joseph Goebbels diese dann im Dritten Reiche mit seiner Propaganda. Auch hier sind die Parallelen zum heutigen Populismus zum Greifen nah und machen dieses Buch auch für unsere Zeit so wichtig!

Jo van Nelsen, selbst Sänger und Moderator in deutschen Varietés und versierter Kenner der Zwanziger Jahre, wird die pfiffigsten Passagen aus diesem großen Zeitroman lesen und dazwischen von seinem roten Koffergrammophon Hits der 20er Jahre spielen. Ein Spaß, den Sie sich nicht entgehen lassen sollten.

Die Autorin:

Gabriele Tergit (1894–1982), Journalistin und Schriftstellerin, wurde durch ihre Gerichtsreportagen bekannt. Sie schrieb drei Romane, zahlreiche Feuilletons und Reportagen sowie posthum veröffentlichte Erinnerungen. Im November 1933 emigrierte sie nach Palästina, 1938 zog sie mit ihrem Mann nach London. Dort wählte sie 1957 das PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland zum Sekretär, ein Amt, das sie bis 1981 innehatte.

Presse/Stimmen

„Was für eine großartige Idee: Die Texte und die Musik der späten 20er-Jahre zusammenzubringen, das Berlin und die Welt, den Wahnsinn und die Wirren dieser Zeit zurückzuholen: Jo van Nelsen tut das mit seinen Grammophon-Lesungen (...) hat sich das alles so echt angefühlt, so in sich stimmig und so rund – das man fast darüber hinweg sehen wollte, wie ähnlich die Wirren und der Wahn der Weimarer Republik unserer eigenen Zeit doch sind.“    (monim auf https://mainfeuilleton.wordpress.com/2017/02/15/jovannelsen/comment-page..., 15.02.2017)

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Jo van Nelsen (© Katrin Schander)
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